Das eigentliche Problem: Warum das Bundessozialgericht die Organisationsform von Poolärzten kritisiert

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Das jüngste Urteil des Bundessozialgerichts zur Sozialversicherungspflicht von Poolärzten im Notdienst hat für Aufsehen gesorgt. Doch was wirklich hinter dem Urteil steckt, ist nicht die Tätigkeit im Notdienst per se, sondern die Organisationsform, die die Ärzte umgibt.

Die Kritik am Status Quo

Das Gericht stellte fest, dass die Ärzte in eine von dritter Seite organisierte Struktur eingegliedert waren und keinen unternehmerischen Einfluss hatten. In der Praxis bedeutet dies, dass die Ärzte nicht wirklich selbstständig sind, sondern in eine bestehende Organisation eingegliedert werden, die sie in ihrer Tätigkeit stark einschränkt.

Eigenständige Verwaltungsorganisation erforderlich

Was das Gericht kritisiert, ist, dass eine wirklich eigenständige Verwaltungsorganisation für eine inhaltlich eigenständige Arbeit fehlt. In anderen Worten: Die Ärzte haben keine Möglichkeit, ihre Tätigkeit so zu gestalten, dass sie als echte Unternehmer agieren können.

Auswirkungen und Lösungsansätze

Diese Einschätzung hat nicht nur Auswirkungen auf die Sozialversicherungspflicht, sondern auch auf das Selbstverständnis der Ärzte und ihre Rolle im Gesundheitssystem. Um die Unabhängigkeit der Ärzte zu gewährleisten, wäre es notwendig, Organisationsformen zu schaffen, die ihnen mehr Freiheiten in der Ausgestaltung ihrer Tätigkeit ermöglichen.

Reaktionen & persönliche Kommentare

Der Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg spricht von einem Schlag ins Gesicht

Nach seiner Überzeugung kann eine Lösung nur gemeinsam gefunden werden: „Die Ärztinnen und Ärzte in Baden-Württemberg werden zusammenstehen. Wir sind angetreten, die Menschen in unserem Land gemeinsam zu versorgen, jeder an seinem Platz, jeder mit dem, was er am besten kann. Die Kammer als Vertretung aller Ärztinnen und Ärzte begleitet und unterstützt die Entwicklung mit allen organisatorischen und auch politischen Möglichkeiten“, so der Kammerpräsident.

https://www.aerztekammer-bw.de/dr-miller-spricht-von-schlag-ins-gesicht-55fd99d56dd2dbf1

Mein Kommentar:

Die Widersprüchlichkeit ärztlicher Standesvertreter und Gremien

Von kollektiver Pflicht zur zwangsweisen Poolarbeit

  1. Es gab eine Zeit, in der…

Es gab eine Zeit, in der für alle Ärzt:innen, unabhängig von ihrer Tätigkeit im Kassenarztsystem, die Pflicht zur Beteiligung am Bereitschaftsdienst bestand. Diese allgemeine Verpflichtung reflektierte ein geteiltes Berufsethos und die kollektive Verantwortung für die Patientenversorgung.

Ärzt:innen, die sich aus fachlichen oder persönlichen Gründen nicht in der Lage sahen, diesen speziellen Dienst zu übernehmen, konnten durch direkte Vertretung „ersetzt“ werden.

  1. Zwangsweise Poolarbeit als neue Norm

Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben diese freie Beteiligung beschnitten und ein System eingeführt, das Ärzt:innen, die ihre fachliche Kompetenz im Bereich der Bereitschaftsdienste sehen, zwangsweise in das Poolarztsystem einbindet. Das Poolarztsystem wurde zur alleinigen Möglichkeit sich an der Versorgungssicherheit der Bevölkerung zu beteiligen, es sei denn, man ist bereits im Kassenarztsystem mit seinen Vorschriften und Vorgaben verankert.

Ärztliche Standesvertreter und Gremien, die diese Delegation zugelassen haben, zeigen sich nun überrascht über die rechtlichen und praktischen Konsequenzen dieser Entscheidungen.

  1. Verantwortung und Selbstkritik

Diese Organisationen sind nun gefordert, ihre Rolle und Entscheidungen kritisch zu hinterfragen. Sie tragen eine Mitverantwortung für die Probleme und müssen konkrete Lösungen anbieten, statt sich in Widersprüchlichkeiten zu verstricken.

Diese Gremien stehen nun vor der Aufgabe, ihre eigene Rolle im System kritisch zu reflektieren. Sie haben die Verschiebung der Verantwortung unterstützt und müssen nun die Folgen dieser Entscheidung tragen.

Fazit:

Angesichts der akuten Zuspitzung der medizinischen Versorgungslage und der Überlastung der Ärzt:innen müssen diese Organisationen jetzt ihre Rolle und ihre Entscheidungen kritisch hinterfragen. Sie tragen eine Mitverantwortung für die aktuellen Probleme und sollten konkrete Lösungen anbieten, anstatt sich in Wehklagen zu ergehen, die von ihrer eigenen Mitschuld ablenken.