Situation:
Freiburg-Weingarten,Donnerstagabend, 19:30 Uhr
Die Ehefrau von Herrn Theo W. ruft beim ärztlichen Bereitschaftsdienst an. Ihr Mann wirkt verändert, bewegt sich weniger und reagiert gereizt, wenn sie ihn anspricht. Er klagt seit dem Vormittag über Schmerzen in der linken Leiste. Tagsüber hatte sie gehofft, die Beschwerden würden nachlassen, doch am Abend verstärken sie sich. Ihr Mann macht sehr unklare Angaben und er sei dement. Sie ist beunruhigt, aber unsicher, ob sie etwas übersieht, was man ihr vorwerfen kann.
Das Telefonat bleibt so unklar, dass ein Hausbesuch geplant wird.
Beschwerden/ Symptome:
Hauptbeschwerden:
Schmerzen nicht sicher zuzuordnen. Die Ehefrau sagt in der linken Leiste, der betroffene Mann sagt die ganze linke Seite schmerze seit dem Vormittag.
Auf gezielte Nachfrage gibt der Patient an, dass er beim Aufstehen das linke Bein kaum benutzen kann. Er kann sich nicht drehen und beschreibt den Schmerz als „ziehend“, zeigt aber wechselnde Schmerzpunkte.
Die Ehefrau berichtet, dass er sonst selten über Schmerzen klagt, heute aber auffällig unruhig ist und mehrfach sagte: „Da unten tut’s weh, ich kann nicht drauf stehen.“
Befund:
· Allgemeinzustand: wach, ansprechbar, leicht beunruhigt
· Bewegungen eingeschränkt durch Schmerz, insbesondere bei Belastung des linken Beines
· Kein Hinweis auf akutes Trauma, keine äußeren Verletzungszeichen
· Abdomen weich, keine Abwehrspannung
· Druckschmerz im Epigastrium, reproduzierbar
· Wechselhafte Schmerzen im Bereich der linkenLeiste nicht zum Leistenkanal zuzuordnen, keine sichtbare Vorwölbung
· Kein Stauchungsschmerz Hüfte, Kein Schmerz bei passiver Bewegung der li Hüfte
· Vitalwerte unauffällig (kein Fieber, normale Kreislaufparameter Puls)
Bekannte Vorerkrankungen:
• Gedächtnisstörungen seit mehreren Jahren
• Refluxbeschwerden (Gastritis)
• Arthrose der Kniegelenke
• Arterielle Hypertonie
Medikation
Dauermedikation:
· Pantoprazol 20mg 1-0-0
· Amlodipin5mg 0-0-1
Bedarfsmedikation:
· Novaminsulfon 500mg bis zu 6x am Tag bei Schmerzen
Hintergrundund soziales Umfeld:
Herr Theo W. ist 86 Jahre alt und lebt mit seiner Ehefrau in einem Einfamilienhaus in Freiburg-Weingarten. Beide führen den Haushalt weitgehend selbst. Die Ehefrau übernimmt die Organisation von Terminen, erinnert an Medikamente. Vormittags verbringt Herr W. viel Zeit im Garten, liest gern und schaut abends Nachrichten.
Die Beziehung scheint durch die Vergesslichkeit und immer wieder auftretende Vorwürfe die wohl vermehrt vom Ehemann ausgeben belastet. Eine weitergehende Diagnostik, inwieweit eine Demenzvorliegt steht noch aus.
Der Kontakt zu den erwachsenen Kindern ist regelmäßig, aber sie wohnen weiter entfernt.
Seit dem Morgen waren akute Beschwerden aufgetreten und das Ehepaar konnte sich nicht wirklich verständigen ob es nötig ist einen Arzt zu rufen. Auch blieben die Beschwerden für die Ehefrau nicht eindeutig nachvollziehbar, sie bemerkt zunehmende Schonbewegungen.
Am Abend des Anrufs fühlte sich die Ehefrau verantwortlich und unsicher zugleich: Sie wollte nicht überreagieren, spürte aber, dass ihr Mann anders war als sonst. Der Entschluss,Hilfe zu holen, fiel ihr schwer, kam letztlich aus Sorge, etwas zu übersehen.
Medizinische Fallbeispiele
Beim Lernen mit Fallbeispielen (case-based learning "CBL") handelt es sich um ausgewählte Fallbeispiele aus der Praxis, um dein theoretisches Wissen aus der medizinischen Lehre zu vertiefen und den Transfer in die Praxis zu üben. Interprofessionelle Überlegungen fördern das Verständnis für komplexe Patientenversorgung und Kompetenzen wie Kommunikation, Teamarbeit und patientenzentriertes Handeln. Gleichzeitig kannst Du durch die eigenständige Erarbeitung von Lösungsansätzen dein Wissen überprüfen und vertiefen.
Was bekomme ich hier?
- Realitätsnahe Szenarien: Detaillierte Beschreibungen der Situation, Hauptbeschwerden, Hintergrund, Vorerkrankungen, Medikamente und soziales Umfeld.
- Online-Fallbesprechung: Einige Fallbeispiele werden im Livestream besprochen. Vor dem Livestream findest du nur die Aufgaben-beschreibung und den Arbeitsauftrag. Die Besprechung wird anschließend auf YouTube verfügbar sein.
Wie nutze ich das?
- Eigenständiges Durcharbeiten: Der größte Lernerfolg entsteht durch das eigenständige Bearbeiten der Fallbeispiele nach Arbeitsauftrag.
- Grundlage der Zusammenarbeit: Deine Lösungen und Ideen sind ideal für eine Austauschrunde in eurer Lerngruppe.
- Vergleich mit Lösungsvorschlag: Du kannst einen beispielhaften Lösungsvorschlag ansehen, den wir erstellt haben. Es gibt keine „richtigen“ Lösungen, da sie sich im realen Kontext ergeben.
Arbeitsschritte befolgen:
- Erfassung der Situation, Symptome, anamnestischer Informationen und des Umfeldes.
- Entwickle Ideen und mögliche Diagnosen. Die Bewertung der Alternativen führt zu einer Arbeitshypothese.
- Erarbeite deine berufsspezifischen Maßnahmen zur Situation.
- Entscheide, ob es sich um einen Notfall handelt, der sofortiges Eingreifen erfordert. Falls ja, welche Maßnahmen du bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes durchführst.
Was muss ich investieren?
- Zeit: Plane bis zu 20 Minuten für die umfassenderen Fallstudien ein. Außerdem bist du herzlich zur Teilnahme an unseren Online-Besprechungen eingeladen.
- Engagement: Kosten entstehen dir keine – wir bieten dir alle Materialien für die persönliche Nutzung kostenfrei an. Für Schulungsmaterialien kontaktiere uns.
Deine Aufgabe:
Du bist nichtärztliche Fachkraftim Gesundheitswesen und begleitest einen Menschen in einer akuten oderkomplexen Situation. Erarbeite einen umfassenden und personalisiertenBehandlungsplan.
Dein Plan soll folgende Punkte beantworten:
1. Welche Symptome zeigt der Mensch?
(Was ist beobachtbar? Was wird berichtet?)
2. Was könnten Ursachen für die Situation sein?
(Welche Vorerkrankungen, Auslöser oder Zusammenhänge sind denkbar?)
3. Liegt eine akute Gefährdung vor, die sofortigesHandeln erfordert?
(Wenn ja, wie erkennst du sie?)
4. Was kannst du aus deiner Profession konkret beitragen?
(Welche Maßnahmen leitest du ein – aus deinem Fachgebiet heraus?)
5. Was braucht es zusätzlich an ärztlicher Begleitungoder Medikation?
(Welche weiterführenden Schritte sind sinnvoll oder notwendig?)
6. Wenn du den Notarzt verständigst: Was sind deineMaßnahmen bis zum Eintreffen?
(Wie sicherst du die Situation?)
Deine Herausforderung:
Sende deinen ausgearbeiteten Behandlungsplan als Antwort auf das Fallbeispielvor der Live Diskussion an:
📧 fragen@docmoritz.academy
➡️ Jede E-Mail wird individuell beantwortet.
➡️ Du bekommstgezieltes Feedback.
Bevor du dir den Lösungsansatz für dieses Fallbeispiel ansiehst, raten wir dir deine eigenen Ideen zuerst schriftlich festzuhalten,
Nimm dir jetzt 15-20 Minuten Zeit den Fall eigenständig zu lösen und mit deiner Lerngruppe zu diskutieren.

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Lösungsansatz
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Welche Symptome & Befunde zeigt der Mensch?
Welche Symptome zeigt der Mensch?
· Der Patient berichtet über Schmerzen in der linken Leiste, die seit dem Vormittag bestehen.
· Die Schmerzlokalisation bleibt unklar, der Patient beschreibt wechselnd die gesamte linke Seite als schmerzhaft.
· Beim Aufstehen kann das linke Bein kaum belastet werden.
· Der Schmerz wird als ziehend beschrieben und verstärkt sich bei Bewegung.
· Die Ehefrau beobachtet, dass ihr Mann sich deutlich weniger bewegt, unruhig wirkt und ungewöhnlich gereizt reagiert.
· Sie berichtet, dass er sonst kaum über Schmerzen klagt und heute mehrfach sagte, er könne nicht aufstehen.
· Ein Trauma, Fieber oder Übelkeit werden verneint.
Welche Befunde lassen sich finden?
· Der Patient ist wach, ansprechbar und leichtbeunruhigt.
· Bewegungen durch Schmerzen eingeschränkt, besonders beim Aufrichten und Belasten.
· Ein Trauma oder äußere Verletzungszeichen werden nicht festgestellt.
· Der Bauch ist weich, es besteht keine Abwehrspannung.
· Ein reproduzierbarer Druckschmerz findet sich im Epigastrium.
· Die Schmerzen im Bereich der linken Leiste sind wechselhaft und nicht eindeutig dem Leistenkanal zuzuordnen.
· Es besteht keine sichtbare Vorwölbung und kein Hinweis auf eine Hernie.
· Die Hüfte zeigt keinen Stauchungsschmerz und keine Schmerzen bei passiver Bewegung.
· Die Vitalparameter sind unauffällig, es bestehen kein Fieber und keine Kreislaufveränderungen.
· Im Bereich der Lendenwirbelsäule und des Iliosakralgelenks findet sich ein deutlicher Druckschmerz mit Ausstrahlung in das linke Bein.
Was könnten Ursachen für die Situation sein? (Arbeitshypothese)
Differenzialdiagnostisch kommen mehrere Ursachen in Betracht.
- Eine eingeklemmte Leistenhernie muss stets ausgeschlossen werden, es bestehen jedoch keine klinischen Hinweise auf eine Vorwölbung oder Abwehrspannung.
- Ein Frakturgeschehen erscheint unwahrscheinlich,da kein Trauma erinnerlich ist und Bewegungs- sowie Stauchungsschmerz fehlen.
- Eine vaskuläre Ursache wie eine Beckenvenenthrombose oder arterielle Verschlussstörung wurde erwogen, zeigte aber keine begleitenden Zeichen wie Pulsverlust oder Hautveränderung.
Arbeitshypothese:
· Am wahrscheinlichsten ist eine lumbosakrale odersakroiliakale Schmerzursache mit muskulärer oder neurogener Ausstrahlung in die Leistenregion.
· Begleitend kann eine funktionelle Schmerzverstärkung durch Verspannung und Schonhaltung angenommen werden.
· Die bestehende kognitive Einschränkung erschwert eine präzise Schmerzanamnese und trägt zur Unsicherheit in der Beurteilung bei.
Liegt eine akute Gefährdung vor, die sofortiges Handeln erfordert?
Eine unmittelbare Vitalbedrohung besteht nicht.
Akut gefährliche Ursachen wie eine inkarzerierte Hernie oder eine Fraktur konnten klinisch weitgehend ausgeschlossen werden. Trotzdem erfordert die unklare Schmerzsymptomatik eine ärztliche Abklärung, um seltene, aber relevante Ursachen wie Gefäßverschlüsse oder intraabdominelle Prozesse sicher auszuschließen.
Die Situation ist als potenziell dringlich, aber nicht notfallmäßig einzustufen.
Was kann ich aus meiner Profession (meinem Beruf) beitragen?
Was kann ich aus meiner Profession (meinem Beruf) beitragen?
A. Physiotherapie (PT)
Beobachtung und Dokumentation der Schmerzlokalisation, Schmerzqualität und Bewegungseinschränkung.
Keine aktive Mobilisation bis zur ärztlichen Klärung der Schmerzursache.
Schonende Lagerung, Entlastung und Unterstützung bei Transfers.
Nach Ausschluss akuter Pathologie: Anleitung zu schmerzarmer Bewegung, Haltungskorrektur und Stabilisierung der Lenden-Beckenregion.
Weitergabe der Befunde und Beobachtungen an das ärztliche oder pflegerische Team.
B. Ergotherapie (ET)
Analyse der häuslichen Umgebung und der täglichen Routinen, um Belastung und Fehlbewegungen zu vermeiden.
Anleitung der Ehefrau zu ergonomischen Unterstützungsstrategien im Alltag.
Beobachtung psychosozialer Belastungen durch Schmerz und Unsicherheit.
Nach medizinischer Klärung: gezielte Aktivitätsanpassung und Energie-Management, um Selbstständigkeit zu fördern.
C. Aus Sicht der Pflege
Schmerz- und Beobachtungsdokumentation, auch nonverbale Zeichen.
Sicherung der Mobilität unter Beachtung von Schmerzgrenzen und Sturzrisiken.
Aufklärung der Angehörigen über Beobachtungskriterien für eine Verschlechterung (Fieber, neue Schwellungen, zunehmende Unruhe).
Kühlung oder Wärmeapplikation nur nach ärztlicher Freigabe.
Unterstützung bei Grundpflege und Positionswechsel, um Sekundärfolgen wie Dekubitus zu vermeiden.
D. Aus Sicht der/des Heilpraktiker:in (HP allgemein / sektoraler HP)
Keine Behandlung vor gesicherter ärztlicher Diagnose, da unklare Schmerzursache mit potenziell ernsthaften Differenzialdiagnosen vorliegt.
Erkennen der eigenen Kompetenzgrenzen und zeitnahe Veranlassung ärztlicher Abklärung.
Nach Ausschluss akuter Ursachen: ergänzende Behandlung auf funktioneller Ebene, z. B. zur Muskelentspannung oder Unterstützung der Beweglichkeit, ausschließlich im nicht-invasiven Rahmen.
Notwendige oder zu erwartende ärztliche Begleitung
Ärztliche Untersuchung zur Sicherung der Diagnose und zum Ausschluss einer Hernie, Fraktur oder vaskulären Ursache.
Bei Bedarf weitere Abklärung der vermuteten Rückenschmerzen ggf. auch mit Bildgebung der Lendenwirbelsäule, Hüfte und Leistenregion.
Labordiagnostik bei Verdacht auf Entzündung
Möglicherweise auch Risikoprofil angepasste Abklärung einer Arteriosklerose mit peripheren Durchblutungsstörungen.
Anpassung der Schmerztherapie unter Berücksichtigung der bestehenden Medikation.
Weiterführende neurologische oder orthopädische Beurteilung, falls eine Wirbelsäulen- oder Gelenkpathologie vermutet wird.
Beratung der Ehefrau über weitere Beobachtungskriterien und mögliche Warnzeichen.
Noch Fragen?

