Situation:
Wohnzimmer von Frau Helene L.
Die 58-jährige Patientin wurde am Vortag nach operativer Versorgung einer Außenknöchelfraktur (Weber B) aus der chirurgischen Abteilung entlassen. Beim Hausbesuch sitzt sie in einem elektrisch verstellbaren Sessel, das rechte Bein liegt auf einer Fußbank, die Orthese (Vacoped) steht neben dem Sessel. Eine Pflegekraft der ambulanten Versorgung ist anwesend. Sie berichtet über eine deutliche Zunahme der Schwellung seit dem Morgen. Frau M. klagt über starke Schmerzen im Knöchelbereich und kann nicht genau sagen, wann die Beschwerden zugenommen haben. Auf Nachfrage erwähnt sie, dass die Mobilisierung ziemlich anstrengend ist. Besonders nachts müsse sie häufiger zur Toilette. So komme sie zu Hause nicht wirklich klar, dass hätte sie aber im Krankenhaus schon gesagt.
Beschwerden/ Symptome:
Hauptbeschwerden sind eine zunehmende deutliche Schwellung und starke Schmerzen des rechten Sprunggelenks. Frau M. beschreibt ein Spannungsgefühl über dem Knöchel. Ihr fällt auf, dass der Fuß beim Herabhängen rasch „dick und heiß“ wird. Sie ist verunsichert, ob das normal ist, und beunruhigt darüber, dass das Bein mehr schmerzt als am Vortag. Sie fragt mehrfach, ob „da was kaputtgegangen“ sein könnte, obwohl sie sich „nicht erinnern kann, irgendwo gegengestoßen zu haben“.
Befund:
- Deutliche Schwellung bis etwa Mitte Unterschenkel
- Gespannte Haut ohne Rötung oder Überwärmung
- Beim vorsichtigen Betasten deutlicher Schmerz über der Außenknöchelspitze
- Puls: 96/min, rhythmisch
- RR: 130/80 mmHg
Bekannte Vorerkrankungen:
- Arterielle Hypertonie (gut eingestellt)
- Adipositas mit grenzwertigen Blutzuckerwerten (Leichtes metabolisches Syndrom)
- Frühere Distorsion des rechten Sprunggelenks vor etwa 10 Jahren
Medikation
- Ramipril 5 mg 1-0-0
- Metformin 500 mg 1-0-1
Aktuelle Medikation:
- Tilidin 50/4 1-1-1
- Heparin-Fertigspritzen zur Thromboseprophylaxe (einmal täglich)
- Bedarfsmedikation: Ibuprofen 600 mg bei Schmerzen (bis 3× täglich)
Hintergrundund soziales Umfeld:
Frau L. lebt allein in einer Zwei-Zimmer-Wohnung im ersten Stock eines Mehrparteienhauses mit Aufzug. Die Wohnung ist weitgehend barrierefrei, jedoch ohne spezielle Hilfsmittel ausgestattet. Sie arbeitet seit vielen Jahren als Sekretärin in einem Steuerbüro und ist derzeit krankgeschrieben. In ihrem Alltag ist sie organisiert, technikaffin und selbstständig.
Freunde und Nachbarn unterstützen sie gelegentlich mit Einkäufen. Die Patientin legt Wert auf Unabhängigkeit und äußert, möglichst bald wieder selbst gehen zu wollen.
Beim Einkaufen war sie gestürzt und hatte sich vor 4 Tagen eine Weber B-Fraktur des rechten Sprunggelenks zugezogen. Nach operativer Versorgung (mit Naht eines Anteils der Syndesmose, ohne Stellschraube) erfolgte die Entlassung am Vortag nach unauffälliger Wundkontrolle.
Sie erhielt die Anweisung, das rechte Bein hochzulagern und mit Orthese unter Teilbelastung (10–15 kg) frei zu gehen. Die Pflege kommt im Rahmen der "VEehinderungspflege" einmal täglich zum Verbandswechsel und zur Thrombosespritze.
Medizinische Fallbeispiele
Beim Lernen mit Fallbeispielen (case-based learning "CBL") handelt es sich um ausgewählte Fallbeispiele aus der Praxis, um dein theoretisches Wissen aus der medizinischen Lehre zu vertiefen und den Transfer in die Praxis zu üben. Interprofessionelle Überlegungen fördern das Verständnis für komplexe Patientenversorgung und Kompetenzen wie Kommunikation, Teamarbeit und patientenzentriertes Handeln. Gleichzeitig kannst Du durch die eigenständige Erarbeitung von Lösungsansätzen dein Wissen überprüfen und vertiefen.
Was bekomme ich hier?
- Realitätsnahe Szenarien: Detaillierte Beschreibungen der Situation, Hauptbeschwerden, Hintergrund, Vorerkrankungen, Medikamente und soziales Umfeld.
- Online-Fallbesprechung: Einige Fallbeispiele werden im Livestream besprochen. Vor dem Livestream findest du nur die Aufgaben-beschreibung und den Arbeitsauftrag. Die Besprechung wird anschließend auf YouTube verfügbar sein.
Wie nutze ich das?
- Eigenständiges Durcharbeiten: Der größte Lernerfolg entsteht durch das eigenständige Bearbeiten der Fallbeispiele nach Arbeitsauftrag.
- Grundlage der Zusammenarbeit: Deine Lösungen und Ideen sind ideal für eine Austauschrunde in eurer Lerngruppe.
- Vergleich mit Lösungsvorschlag: Du kannst einen beispielhaften Lösungsvorschlag ansehen, den wir erstellt haben. Es gibt keine „richtigen“ Lösungen, da sie sich im realen Kontext ergeben.
Arbeitsschritte befolgen:
- Erfassung der Situation, Symptome, anamnestischer Informationen und des Umfeldes.
- Entwickle Ideen und mögliche Diagnosen. Die Bewertung der Alternativen führt zu einer Arbeitshypothese.
- Erarbeite deine berufsspezifischen Maßnahmen zur Situation.
- Entscheide, ob es sich um einen Notfall handelt, der sofortiges Eingreifen erfordert. Falls ja, welche Maßnahmen du bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes durchführst.
Was muss ich investieren?
- Zeit: Plane bis zu 20 Minuten für die umfassenderen Fallstudien ein. Außerdem bist du herzlich zur Teilnahme an unseren Online-Besprechungen eingeladen.
- Engagement: Kosten entstehen dir keine – wir bieten dir alle Materialien für die persönliche Nutzung kostenfrei an. Für Schulungsmaterialien kontaktiere uns.
Deine Aufgabe:
Du bist nichtärztliche Fachkraftim Gesundheitswesen und begleitest einen Menschen in einer akuten oderkomplexen Situation. Erarbeite einen umfassenden und personalisiertenBehandlungsplan.
Dein Plan soll folgende Punkte beantworten:
1. Welche Symptome zeigt der Mensch?
(Was ist beobachtbar? Was wird berichtet?)
2. Was könnten Ursachen für die Situation sein?
(Welche Vorerkrankungen, Auslöser oder Zusammenhänge sind denkbar?)
3. Liegt eine akute Gefährdung vor, die sofortigesHandeln erfordert?
(Wenn ja, wie erkennst du sie?)
4. Was kannst du aus deiner Profession konkret beitragen?
(Welche Maßnahmen leitest du ein – aus deinem Fachgebiet heraus?)
5. Was braucht es zusätzlich an ärztlicher Begleitungoder Medikation?
(Welche weiterführenden Schritte sind sinnvoll oder notwendig?)
6. Wenn du den Notarzt verständigst: Was sind deineMaßnahmen bis zum Eintreffen?
(Wie sicherst du die Situation?)
Deine Herausforderung:
Sende deinen ausgearbeiteten Behandlungsplan als Antwort auf das Fallbeispielvor der Live Diskussion an:
📧 fragen@docmoritz.academy
➡️ Jede E-Mail wird individuell beantwortet.
➡️ Du bekommstgezieltes Feedback.
Bevor du dir den Lösungsansatz für dieses Fallbeispiel ansiehst, raten wir dir deine eigenen Ideen zuerst schriftlich festzuhalten,
Nimm dir jetzt 15-20 Minuten Zeit den Fall eigenständig zu lösen und mit deiner Lerngruppe zu diskutieren.

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Lösungsansatz
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Welche Symptome & Befunde zeigt der Mensch?
Symptome
· Zunehmende Schwellung des rechten Sprunggelenksbis etwa zur Mitte des Unterschenkels.
· Von der Patientin beschriebenes Spannungsgefühlim Knöchelbereich („wird dick und heiß, wenn es runterhängt“).
· Stärkere Schmerzen als am Vortag der Entlassung, lokal vor allem im Bereich des Außenknöchels.
· Deutlich verunsicherte Patientin, wiederholte Frage, ob „da was kaputtgegangen“ sein könnte.
Befund
· klar reproduzierbarer Druckschmerz über der Außenknöchelspitze.
· Haut: gespannt, aber ohne Rötung oder objektive Überwärmung.
· Vitalwerte: Puls 96/min, RR 130/80 mmHg –situationsangemessen, keine akute Kreislaufentgleisung.
· Die funktionelle Sprunggelenksorthese (Vacoped) steht neben dem Sessel
Was könnten Ursachen für die Situation sein? (Arbeitshypothese)
Struktureller Hintergrund:
Es liegt eine Weber-B-Fraktur mit genähter Syndesmose vor. Die Malleolengabel war funktionell instabil und wurde operativ rekonstruiert.
Die Stabilität des oberen Sprunggelenks hängt damit weniger vom Knochen allein, sondern wesentlich von der wiederhergestellten Syndesmose ab. Frühzeitige Fehlbelastung gefährdet diese Rekonstruktion.
Interpretation der aktuellen Situation:
Wahrscheinlichste Ursache:
- Fehl- bzw. Überbelastung der rekonstruierten Malleolengabel,
- vermutlich durch:
- Schritte ohne Orthese (z. B. nächtlicherToilettengang),
- Überschreiten der vorgegebenen Teilbelastung (10–15 kg) im Alltag,
- unkontrollierte Rotations- /Pro-/Supinationsbewegungen, gegen die die Orthese eigentlich schützen soll.
Dadurch möglich:
- mechanische Überlastung der fibularen Osteosynthese
und der genähten Syndesmose, - Mikrobewegung / Mikroverschiebung imFrakturbereich,
- beginnende Schädigung des Osteosynthesematerials
(z. B. gelockerte Schraube, Spannungsverlust), - verstärkte Weichteilschwellung als Ausdruck der Überlastung.
Differenzialdiagnosen (weniger wahrscheinlich, abermitzudenken):
- Normale postoperative Schwellung → passtschlecht, weil:
- Schwellung zunimmt, statt rückläufig zu sein, trotz Hochlagerung nicht klar abnimmt.
- Infektion (Wundheilungsstörung) → aktuell keine Rötung, keine Überwärmung, kein Fieber.
- TVT → Schwellung v. a. lokal am Sprunggelenk,kein typischer Wadenschmerz, keine Hinweise auf proximalen venösen Rückstau.
Arbeitshypothese:
Es handelt sich um eine strukturell relevante Überlastung der operativ rekonstruierten Malleolengabel und Syndesmose nach Weber-B-Fraktur, ausgelöst durch unkontrollierte Belastung ohne ausreichenden Orthesenschutz und Überschreitung der Teilbelastung.
Liegt eine akute Gefährdung vor, die sofortiges Handeln erfordert?
Ja – es liegt eine potenziell gefährliche Situation ohne akute Lebensgefahrvor.
In diesem Fall liegen mehrere Red-Flag-Elemente vor:
· Neu bzw. deutlich stärker gewordener,lokalisierter Druckschmerz über der Außenknöchelspitze nach der Frühphase.
· Zunehmende Schwellung trotz Hochlagerung –spricht gegen normalen postoperativen Verlauf.
· Hinweise auf Belastung ohne Orthese (Orthesesteht neben dem Sessel) und anstrengende Mobilisation im häuslichen Umfeld.
Damit besteht eine akute strukturelle Gefährdung der rekonstruierten Sprunggelenksgabel (Syndesmose / Osteosynthese) mit Risiko der zunehmenden Komplikationen und/oder Gefährdung des Behandlungsergebnisses
Keine vitale Bedrohung (keine Dyspnoe, keine Kreislaufinstabilität, keinHinweis auf Kompartment oder Sepsis).
Aber: klare Indikation zur sofortigen chirurgischen Abklärung – nicht„irgendwann“, sondern heute.
Was kann ich aus meiner Profession (meinem Beruf) beitragen?
Für jede Berufsgruppe notwendige Maßnahmen:
- Belastung sofort stoppen, nicht weitermobilisieren.
- Kein weiterer Belastungsversuch mit oder ohne Orthese.
- Organisation einer dringlichen Vorstellung in der chirurgischen Abteilung, vorzugsweise:
- über den Rettungsdienst (Krankentransport)
- telefonische Rücksprache direkt in derbehandelnden Klinik.
- Notarzt ist nicht erforderlich, solange die Vitalparameter stabil sind und keine zusätzlichen Red Flags (Atemnot,Kreislaufinstabilität) auftreten.
Was kann ichaus meiner Profession (meinem Beruf) beitragen?
Dieser Fall erfordert primär ärztliche Diagnostik und Neuorientierung der Behandlungunabhängig von der Berufsgruppe.
Je nach Diagnostik und „realer Situation“ ist
· die erneute Operation (Re-Osteosynthese)erforderlich.
· Die erneute verbindliche Belastungsvorgabe erforderlich
· Im Kontakt mit der Patientin. die Versorgung zu organisieren und ein unterstützendes Netzwerk im ambulanten Bereich sicherzustellen oder die zeitweise stationäre Versorgung zu sichern
Notwendige oder zu erwartende ärztliche Begleitung
Dringliche chirurgische Vorstellung idealerweise in der operierenden Klinik oder nächstgelegenen chirurgischen Abteilung.
- Bildgebung:
- Röntgen des OSG in mehreren Ebenen,
- Vergleich mit postoperativen Aufnahmen,
- Beurteilung von Fibulaposition, Syndesmosen Rekonstruktion, Osteosynthese (Platte/Schrauben).
- Entscheidung, ob:
- die Syndesmose / Osteosynthese intakt ist → Anpassung der Belastung, engmaschige Kontrolle,
- eine Revisions-OP oder Anpassung der Fixation nötig ist.
- Anpassung der Belastungsvorgaben:
- ggf. Übergang von Teilbelastung zu strenger Entlastung,
- präzisere Vorgaben (z. B. Belastungsprotokoll, Orthesentrennung: „nur im Liegen/ Sitzen ab“).
- Sicherstellen, dass die Patientin diese Grenzen kennt und im Alltag umsetzen kann
- Optimierung der Schmerztherapie, ggf. Ergänzung oder Umstellung.
Noch Fragen?

