Produktives Lernen

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Eine Lehre für die Zukunft


1. Einleitung

Lernen ist ein lebenslanger Prozess, der weit über die schulischen und universitären Jahre hinausgeht. Praxisorientiertes Lernen orientiert sich an den Lehrmethoden und Produktives Lernen an den Vorraussetzungen auf Seiten der Lernenden. Viele streben danach, nicht nur mehr, sondern auch effektiver zu lernen. In einer Welt, in der Informationen ständig verfügbar sind, stellt sich die Frage: Wie kann man sich diese Informationen zu eigen machen und sie produktiv nutzen? Gerade im Gesundheitswesen, einem Bereich, der sowohl Fachwissen als auch soziale Kompetenzen erfordert, ist das Lernen besonders vielschichtig und essentiell. Eine berufliche Ausbildung im Gesundheitsbereich bedeutet nicht nur, sich Fachwissen anzueignen, sondern auch, Empathie und Patientenorientierung zu entwickeln. Es geht nicht nur darum, Fakten zu wissen, sondern auch, wie man sie in der Praxis anwendet – ein Konzept, das oft als „Kompetenzlernen“ bezeichnet wird, im Gegensatz zum reinen „Wissenslernen“. Denn während Wissenslernen uns die Theorie vermittelt, ermöglicht das Kompetenzlernen, diese Theorie in praktische Fähigkeiten umzusetzen, die für die Betreuung und Behandlung von Patienten unerlässlich sind. Praxisorientiertes Lernen am Menschen orientiert nutzt vorhandene REssourcen beim Lernenden udn Lehrenden optimal.

2. Hintergrund & Kontext

In früheren Zeiten war Wissen über Gesundheit und Wohlbefinden eher ein allgemeines Gut, das von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Familienmitglieder, insbesondere die Ältesten, waren oft die Hauptquellen für Ratschläge zu Heilmitteln, Ernährung und körperlichem Wohlbefinden. Doch mit der wachsenden Komplexität und Spezialisierung der Medizin wandelte sich dieses Bild. Die Entstehung von medizinischen Fachbereichen und spezialisierten Disziplinen führte dazu, dass medizinisches Wissen immer tiefer und detailreicher wurde, aber gleichzeitig auch unzugänglicher für den Durchschnittsbürger.

Parallel zu dieser Entwicklung begann die breite Öffentlichkeit, Gesundheit und Krankheit als Phänomene zu betrachten, die hauptsächlich in der Verantwortung von Fachleuten liegen. Ärzte wurden zu den Hauptvermittlern von Gesundheitsinformationen, während das individuelle Verständnis und die Eigenverantwortung für die eigene Gesundheit abnahmen. Anstatt auf das eigene Wissen und die Intuition zu vertrauen, begannen Menschen, sich mehr und mehr auf medizinische Experten zu verlassen, die das Wissen und die Fähigkeiten besitzen, komplexe Gesundheitsprobleme zu diagnostizieren und zu behandeln.

Die rasante Zunahme von Fach- und Detailwissen in der Medizin ist beeindruckend. Allein in Deutschland existieren mittlerweile 34 Facharztrichtungen, und dazu kommen zahlreiche weitere Spezialisierungen. Diese Spezialisierungen ermöglichen es Ärzten, sich intensiv in sehr spezifische Bereiche der Medizin zu vertiefen und so höchst qualifizierte Versorgung in ihrem jeweiligen Bereich anzubieten.

Das Kompetenzlernen, das Fähigkeiten und Fertigkeiten über reines Wissen hinaus vermittelt, hat sich nicht in dem gleichen Maße weiterentwickelt. Während Ärzte und anderes medizinisches Personal immer mehr in die Tiefe ihres Fachgebiets eintauchen, wächst gleichzeitig die Kluft zwischen ihnen und den Patienten. Die Konsequenz? Eine immer größere Distanz zwischen medizinischem Personal und den von ihnen betreuten Menschen.

3. Eine Ausbildung für den Menschen im Mittelpunkt

Auch heute sind junge Menschen, die in medizinischen und gesundheitbezogenen Berufen starten, oft von dem tiefen Wunsch getrieben, sich anderen Menschen zu widmen und einen echten Unterschied in deren Leben zu machen. Sie betreten das Gesundheitswesen nicht nur mit dem Ziel, medizinisches Wissen anzuhäufen, sondern auch, um das Handwerkszeug zu erlangen, das sie benötigen, um empathisch, verständnisvoll und effektiv mit Patienten zu interagieren.

Die Erwartungen an ihre Ausbildung sind hoch. Diese Generation von zukünftigen Gesundheitsfachkräften erwartet zu Recht eine hochqualifizierte Vermittlung von Wissen. Das reine Anhäufen von Fakten reicht jedoch nicht aus. Sie sehnen sich danach, in ihrer Ausbildung darüber hinausgehend unterstützt und angeleitet zu werden, um berufsspezifische Kompetenzen zu erlernen. Diese umfassen nicht nur technische Fähigkeiten, sondern auch interpersonelle Kompetenzen, die für den Umgang mit Patienten unerlässlich sind. Empathie für den behandelten Menschen wird zu einer Kernkompetenz.

Die Herausforderung an Lehreinrichtungen und jeden lehrend Tätigen besteht darin, eine Ausbildung zu gestalten, die sowohl den Anforderungen moderner Medizin gerecht wird als auch sicherstellt, dass diese jungen Fachkräfte in der Lage sind, sich ganzheitlich und empathisch ihren Patienten zuzuwenden. Es ist ein Balanceakt zwischen moderner Wissenschaft und der Kunst der Menschlichkeit.

4. Kompetenzorientiertes Lernen im Gesundheitswesen

Das traditionelle Lernen, das hauptsächlich auf die Vermittlung von Fakten ausgerichtet ist, reicht in der heutigen komplexen medizinischen Landschaft nicht mehr aus. Vielmehr erfordert eine effektive Ausbildung im Gesundheitswesen einen holistischen Ansatz, der verschiedene Aspekte des Lernens miteinander verbindet.

  • Praxisorientiertes Lernen: Es ist entscheidend, dass das Gelernte direkt in den Berufsalltag übertragen werden kann. Dies bedeutet, dass die Inhalte nicht nur theoretisch relevant sein sollten, sondern auch praxisbezogen. Durch Simulationen, Fallbeispiele und Praktika können Auszubildende das theoretische Wissen in reale Situationen übertragen und so sicherstellen, dass es auch unter realen Bedingungen funktioniert.
  • Individuelles Kompetenzlernen: Jeder medizinische Fachbereich hat seine eigenen spezifischen Anforderungen. Daher sollte die Ausbildung darauf ausgerichtet sein, den Lernenden genau die Fähigkeiten und Kenntnisse zu vermitteln, die sie benötigen, um in ihrem speziellen Bereich optimal zu funktionieren. Dies beinhaltet sowohl technisches Wissen als auch interpersonelle Fähigkeiten.
  • Persönlichkeitsentwicklung: Im medizinischen Bereich sind Soft Skills wie Empathie, Kommunikationsfähigkeit und Teamarbeit genauso wichtig wie technisches Wissen. Durch gezielte Trainings und Reflexionen können angehende Gesundheitsfachkräfte diese essentiellen Fähigkeiten entwickeln.
  • Interprofessionelle Zusammenarbeit: In der komplexen Welt der Medizin arbeiten oft mehrere Fachbereiche eng zusammen, um die bestmögliche Versorgung für den Patienten sicherzustellen. Dies erfordert eine tiefgehende Kenntnis und Anerkennung der Rollen und Beiträge jedes Teammitglieds. Ein modernes Bildungskonzept sollte daher auch den Fokus auf die Schulung interprofessioneller Zusammenarbeit legen, um sicherzustellen, dass alle Beteiligten effektiv und harmonisch zusammenarbeiten können.

Die Integration dieser Aspekte in die medizinische Ausbildung gewährleistet, dass Gesundheitsfachkräfte nicht nur mit dem notwendigen Wissen, sondern auch mit den erforderlichen Fähigkeiten und der richtigen Einstellung ausgestattet sind, um ihre Rolle im Gesundheitsteam optimal auszufüllen.

5. Kompetenzorientiertes Lernen für eine qualifizierte Entscheidungsfindung

Die Komplexität der medizinischen Welt erfordert heute mehr denn je eine ganzheitliche Bildung. Es reicht nicht aus, nur über Fachwissen zu verfügen. Die Ausbildung in einem Gesundheitsfachberuf sollte Individuen darauf vorbereiten, den Menschen in seiner Gesamtheit zu verstehen und qualifizierte Entscheidungen am und für den Menschen zu treffen. Hier sind einige Empfehlungen, wie dies erreicht werden kann:

  • Interaktive Lernmethoden: Ob durch Fallstudien, Simulationen oder Rollenspiele, interaktive Methoden bieten die Möglichkeit, Fachwissen in realen oder realitätsnahen Szenarien anzuwenden. Dies fördert nicht nur das Verständnis, sondern auch das kritische Denken und die Problemlösungsfähigkeiten.
  • Erfahrungsaustausch: Die kollektive Weisheit und das gemeinsame Lernen sind unschätzbar. Der Austausch von persönlichen Erfahrungen, Erfolgsgeschichten und auch von Fehlern mit Kollegen und Mitlernenden fördert die Reflexion und bietet vielfältige Lernperspektiven.
  • Persönlichkeitsentwicklung: Während der Ausbildung in einem Gesundheitsfachberuf sollte ein starker Fokus auf die Entwicklung von Soft Skills wie Empathie, Kommunikation und ethischem Handeln gelegt werden. Diese Fähigkeiten sind oft genauso entscheidend wie das Fachwissen selbst.
  • Kritische Denkfähigkeiten fördern: Es ist wichtig, dass die Lernenden dazu ermutigt werden, Informationen kritisch zu hinterfragen, Hypothesen aufzustellen und unterschiedliche Situationen zu analysieren. Dies stellt sicher, dass sie in der Lage sind, gut informierte Entscheidungen im Berufsalltag zu treffen.

Die Zukunft der Gesundheitsberufe erfordert Praktizierende, die sowohl mit exzellentem Fachwissen als auch mit einem tiefen Verständnis für die menschliche Erfahrung ausgestattet sind. Es geht darum, das Beste aus beiden Welten zu kombinieren, um die bestmögliche Versorgung für die Patienten zu gewährleisten.

6. Die Zukunft der Bildung in Gesundheitsfachberufen

Die Welt der Gesundheitsfachberufe steht vor einer entscheidenden Transformation. In der modernen medizinischen Bildung geht es nicht mehr ausschließlich um exzellentes Fachwissen, sondern vielmehr um eine ganzheitliche Herangehensweise. Hier sind die Hauptpunkte, die im Artikel hervorgehoben wurden:

  • Interaktives Lernen: Realitätsnahe Szenarien durch Fallstudien, Simulationen und Rollenspiele ermöglichen es, Fachwissen praxisnah anzuwenden.
  • Kollektive Weisheit: Der Austausch von Erfahrungen und Wissen bietet vielfältige Lernmöglichkeiten und Perspektiven.
  • Persönlichkeitsentwicklung: Soft Skills wie Empathie, Kommunikation und ethisches Handeln sind unerlässlich für die qualifizierte Betreuung von Patienten.
  • Kritisches Denken: Die Fähigkeit, Informationen zu hinterfragen und zu analysieren, gewährleistet fundierte Entscheidungen im medizinischen Alltag.

Die nicht-ärztlichen Gesundheitsfachberufe könnten eine Schlüsselrolle in dieser Transformation spielen, da sie oft näher am Menschen agieren. Sie bieten die Möglichkeit, wesentliche und grundlegende Impulse für die Weiterentwicklung der Gesundheitsbildung zu geben. Diese Berufsgruppen könnten den Weg für eine „Patientenrevolte“ ebnen, in der der Patient nicht mehr nur als passiver Empfänger von Versorgungsleistungen gesehen wird, sondern als aktiver, informierter und miteinbezogener Partner im Gesundheitssystem.

Die Zukunft erfordert also nicht nur eine Veränderung in der Art, wie wir lehren und lernen, sondern auch eine Verschiebung in der Art, wie wir Gesundheitsversorgung konzipieren und praktizieren. Dabei sind es gerade die Gesundheitsfachberufe, die die Brücke zwischen Wissenschaft und Menschlichkeit schlagen können.


7. Quellenangaben

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